Dennoch arbeitet etwa die Tafel Hattersheim - Hofheim des Caritasverbandes Main-Taunus e.V. schon seit einiger Zeit mit foodsharing Main-Taunus-Kreis sehr gut zusammen. Warum und wie das geht, erklärten Julia, Pia und Nina den ehrenamtlichen Fahrern und Helfern der Tafel bei einem Aktionstag im Caritas- Anziehpunkt in Hattersheim am 21. Juni anschaulich.
"Wir vom foodsharing e.V. verstehen uns als ein Umweltbildungsverein" erklärte Julia, "wir wollen in erster Linie Lebensmittel vor der Mülltonne retten, bieten aber auch Vorträge, workshops und Seminare zur Vermeidung von Lebensmittelverschwendung an." Wer die geretteten Lebensmittel schließlich noch verwertet, spielt in der Philosophie der foodsharer keine Rolle - wichtig ist, dass aufwändig produzierte Nahrungsmittel am Ende nicht einfach weggeworfen, sondern so lange es geht noch verwertet werden. "Unsere Zielgruppe ist nicht in erster Linie auf Bedürftige festgelegt", stellt Julia fest, "sondern das Erreichen von Nachhaltigkeit ist unser Ziel." Dennoch ist es für die foodsharer selbstverständlich, den Tafeln immer den Vortritt zu lassen. "Bei uns gilt ganz strikt "Tafel first!", wir konkurrieren nicht mit den Tafeln, wir nehmen immer nur das mit, was die Tafeln nicht abholen können und was sonst weggeworfen werden würde, zum Beispiel oft abends oder an den Wochenenden", wird erklärt, "deshalb ergänzen wir uns ganz prima."
Für die Tafel Hattersheim- Hofheim bietet das zum Beispiel den Vorteil, dass sie ihren Spendern nun auch in den Sommer- oder Weihnachtsschließzeiten zuverlässige Abholung -dann eben durch die Foodsharer - garantieren kann. Zwar nutzt man bei foodsharing MTK für die Abholung von Lebensmitteln private PKWs, aber dafür ist man flexibler und kann auch mal "im Schwarm" losfahren, auch am Wochenende oder spät am Abend noch Lebensmittel abholen, die vielleicht schnell verbraucht werden müssen. Auch die Abnahme von Großgebinden oder Großmengen aus Überproduktionen kann von den foodsharern organisiert werden - in der Tafel hat man keine Lagerkapazitäten etwa für eine LKW-Ladung Lebensmittel, die ja dann nicht an einem Ausgabetag aufgebraucht werden könnte. "Aber solche Mengen kriegt ihr doch auch nicht am gleichen Tag weg?" wurde aus den Reihen der Zuhörer skeptisch gefragt. "Doch - das geht bei uns ganz schnell: über unsere WhatsApp- Gruppe, über Facebook oder über das Portal foodsharing.de stehen ruckzuck jede Menge Leute vor meiner Tür und holen die Sachen ab" erzählt Pia.
Auch wenn foodsharing nicht als Lebensmittel-Unternehmen geführt wird, sondern eher wie "ein Sportverein, der auf dem Weihnachtsmarkt Marmelade oder selbstgebackene Plätzchen verkauft": foodsaver für foodsharing wird man nicht einfach durch Selbstdeklaration. "Wer foodsaver werden will, muss sich vorher bilden", erklären die Vertreterinnen der Organisation, "wir richten uns da auch nach dem, was die Betriebe, bei denen wir abholen dürfen, verlangen. Das geht manchmal bis zu einer Hygieneprüfung beim Gesundheitsamt." Selbstverständlich kennt man sich wie Dingen wie "Mindesthaltbarkeitsdatum" oder dem "zu verbrauchen bis" gut aus. "Auch wir müssen bei nur gekühlt haltbaren Lebensmitteln die Temperatur messen und die Kühlkette aufrecht erhalten" erklären sie, "das tun wir halt mit unseren Kühltaschen und unseren eigenen Kühlschränken zu Hause."
Auch das die Weitergabe der Lebensmittel über die "Verteiler-Schränke" so gut funktioniert, wunderte manche der Zuhörer. "Gibt es denn da keinen Vandalismus?" wird erstaunt gefragt. Ganz gelassen lächelnd wird diese Frage mit: "Nein, kam bisher bei uns nicht vor. Wir erfahren eher, dass die Leute vor Ort uns gerne helfen, etwa beim Einräumen oder beim Saubermachen." Selbstverständlich wird aber auch jeder dieser in Flörsheim, Kriftel, Langenhain, Hofheim und Hochheim aufgestellten Schränke von den foodsharern selbst einmal am Tag kontrolliert und saubergewischt, ein Zettel mit den Entnahme-Regeln hängt in jedem Schrank aus.
Das foodsaver die geretteten Lebensmittel nicht verkaufen dürfen, müssen sie unterschreiben, ein Verstoß gegen diesen Grundsatz wird geahndet. Sie arbeiten inzwischen mit vielen Betrieben zusammen, denen sie auf Wunsch absolute Verschwiegenheit garantieren. "Manche möchten aber auch genannt werden, man sieht das heute schon oft als werbewirksam, wenn man dafür sorgt, dass Lebensmittel nicht einfach in die Tonne wandern", wird geschmunzelt, denn das ist sicher ein Erfolg, den die foodsharer sich auf ihre Fahne schreiben können: das Bewusstsein, dass Lebensmittelverschwendung minimiert werden muss, ist überall gewachsen.
Da blieb bei den ZuhörerInnen nur noch die Frage nach der Finanzierung offen, die aber auch offen beantwortet werden konnte: "Foodsharing funktioniert mit ehrenamtlicher Arbeit und durch Spenden über die Plattform - Geld wird vor allem für die Finanzierung der IT gebraucht. Bei uns gilt in Bezug auf die Verwendung von Finanzen: so wenig wie möglich, so viel wie nötig" erklärte Julia das einfache Prinzip.
Im MTK gibt es ca. 190 aktive foodsaver, in der weiteren Region sind es etwa 490. Die foodsharing- Bewegung ist seit 11 Jahren aktiv. "Eigentlich war unser Ziel, die Lebensmittelverschwendung innerhalb von 6 Jahren zu beenden. Es wäre uns am liebsten, wenn wir uns selbst abschaffen könnten", erzählen die drei Damen, "letztes Jahr haben wir mit einem lachenden und einem weinenden Auge 10jähriges Jubiläum gefeiert, schließlich gibt es viel positive Resonanz und wir haben die Verschwendung zumindest minimiert."